Neue Räume

Ich erinnere mich zurück an eine Zeit, in der ich ein winziges rotes Klapphandy mit selbst beklebten bunten Stoffblumen besaß. Ich war damals ein Junkie. Einfach nur süchtig nach dem Teil. Es war mir ein Erlebnis, es auf- und wieder zuzukleben. Gebannt von der Aufregung, ob nach dem Aufklappen eine SMS auf dem Display erscheint. Süchtig danach, Nachrichten zu schicken und zu bekommen. Heute besitze ich ein Smartphone, riesengroß und wenig individuell. An meiner Sucht hat sich nichts verändert. Jedenfalls nicht zum Guten. Wir haben Krieg und wir haben Pandemie. Es gibt so viel zu tun. Gesellschaftlich, sozial und nicht zuletzt persönlich. Da ist es nicht schwer zu erkennen, dass es keinen Raum mehr gibt für diese kleine, fiese Sucht nach ERÖRTERE ICH EIN ANDERES MAL. Ich freue mich auf neue Räume, auch wenn sie dunkel sind. Wozu gibt es Streichhölzer, Taschenlampen, Feuerzeuge?

Finde deinen Widerstand

Wir haben 2022 und ich bin leise. Leise, weil ich das in politischer Hinsicht immer schon war. Weil ich zu wenig durchblicke und auch, weil mir ein Stück weit das Interesse fehlt. Es ist bitter, das zuzugeben, aber so ist es. Leider. Die Ursachen dafür beleuchte ich ein anderes Mal.
Jedenfalls kommt Putin und macht Krieg. Und etwas in mir verändert sich. Ich schäme mich, weil ich erst jetzt begreife, dass Krieg wirklich existiert und sich nicht irgendwo fernab in einer Parallelwelt abspielt. Es ist nicht so, dass ich hinterm Mond lebe. Es gab genug Gelegenheiten, weit vor Februar 2022 zu begreifen, was ich erst jetzt begreife. Ich muss ehrlicherweise sagen, dass ich derzeit nicht zuverlässig auf jede meiner Gehirnzellen Zugriff habe. Ich bin totmüde. Bei mir zu Hause tobt ein Dreijähriger mit oskarverdächtigen Wutanfällen. Neben ihm zwei ein-jährige Zwillinge, von denen Tag und Nacht mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit immer mindestens einer brüllt.
Meine Müdigkeit kann vieles entschuldigen. Nicht aber die Tatsache, keinen Widerstand zu leisten. Was ist Widerstand? Die Antwort darauf ist lang. Ich hab mich mit ihr im Rahmen meines Studiums befasst und ich erinnere mich nicht mehr an die Antwort. Heute will ich aber nach meiner eigenen Meinung fragen.

Ich will Frieden. Wo fängt er an und wo hört er auf? Ich bin der tiefen Überzeugung, dass jede und jeder von uns einen ganz persönlichen Beitrag zum Widerstand leisten kann.
Ich denke unaufhörlich an Hannah Arendt. Was würde sie tun? Ich weiß es nicht und habe darüber nachgedacht, ein Essay über sie zu schreiben. Ich hab mich dagegen entschieden. Ich frage nach meinem Widerstand. Er liegt im tiefen Frieden mit mir selbst. Ich will mich verwurzeln mit der Erde.
Wer sagt, dass Widerstand laut sein muss? Er muss deutlich sein, nicht laut.
Ich will dastehen, so felsenfest in mir ruhend und voller Frieden und Liebe, dass es mich selbst erschüttert. Erschüttert im positiven Sinne. Ich will Frieden in mir selbst und damit für jeden einzelnen Menschen, auf den ich treffe. Ich rede von einem inneren Frieden, der unabhängig ist vom Außen und der niemals durch Krieg bedroht werden kann.
Ich bin traurig, erschüttert und so vieles mehr, wie so viele von uns. Ich finde Trost bei Hannah Arendt. Sie ermutigt mich, denn sie spricht von der Banalität des Bösen und der Tiefe des Guten. Ich will auf das Gute blicken, auf den inneren Frieden, der uns durch nichts zu nehmen ist. Ich will ihn rausschicken in die Welt, ihn verteilen und verbreiten.
Aus diesem Grund habe ich diesen Text geschrieben.
Ich danke dir für’s Lesen.

Arbeit

Ruhe bewahren, komme, was wolle. Fels in der Brandung sein. Die Kunst, den Sturm wüten zu lassen, ohne ihn bremsen zu wollen. Eins nach dem anderen abarbeiten. Arbeit mit Vergnügen verrichten. Und Arbeit liegen lassen, im Wissen, dass sie nicht wegläuft. Auch wenn sie das manchmal ruhig machen könnte. Und was ist eigentlich Arbeit? Sollte man das mal philosophisch abhandeln?

Annehmen

Ich will versuchen, keine Angst mehr zu haben, (…) das wirkliche Unglück ist die Angst vor allem Möglichen. Lass daher das Leben einfach mit sich bringen, was es will, und lass mich stark genug sein, das in Empfang zu nehmen, was es bringt.

Astrid Lindgren

Kind sein

Es ist nicht leicht, Kind zu sein, nein! Es ist schwer, sehr schwer sogar. Was bedeutet das denn – Kind zu sein? Es bedeutet, dass man ins Bett gehen, aufstehen, sich anziehen, essen, Zähne putzen und die Nase putzen muss, wenn es den Erwachsenen passt und nicht einem selbst. […] Ich habe häufig darüber nachgedacht, was passieren würde, wenn man anfinge, die Erwachsenen auf die gleiche Weise zu behandeln.

Astrid Lindgren