Nicht erwachsen werden

Larissa verbringt den Tag damit, willkürlich ausgewählten Menschen Fragen zu stellen, deren Antwort sie nicht im Geringsten interessiert. Doch darum geht es hier nicht. Das Drumherum ist wichtig. Ein hygienisch nicht einwandfreies Großraumbüro mit einer guten Auswahl an karikaturhaften Gestalten, die es aus den unterschiedlichsten Gründen hierher verschlagen hat. Hier steckt Freiheit in der Luft, Unabhängigkeit. Es ist ein Tagelöhnerdasein, das aber unfassbar federleicht ist, wohlig belanglos. Man könnte es auch als „fluffig“ bezeichnen. Es ist auch ein bisschen wie „nicht erwachsen werden müssen“.

Gras und Gleismann

Als Gleismann einen Joint aus seiner Jackentasche zog, wusste Larissa, dass auch er mehr vom Leben wollte. Kiffer waren ihr schon immer sympathisch, wenngleich sie selbst mit dem Zeug nichts anfangen konnte. Es machte sie träge und blöd. Eigentlich waren fast alle Kiffer irgendwie träge und blöd, aber einige auf eine Weise, die Larissa aus unerfindlichen Gründen anzog. Sie sah in ihnen die tiefe Sehnsucht nach mehr, sie mochte ihre Melancholie, denn die ließ sie oft so interessant erscheinen, so gebrochen und gleichzeitig gleichmütig. Der Kiffer an sich wirkte sexy auf Larissa. Kiffende Männer waren außerdem nicht verrucht genug, um ihr das Herz zu brechen. Und das war wichtig. Sie liebte es, verknallt zu sein, aber die Sache mit der Liebe ging ihr zu weit.

Ganz in Ordnung

„Ganz in Ordnung reicht nicht“, sagte sie und zog an ihrer schief gedrehten Zigarette mit dem obligatorischen Knick. „Ganz meiner Meinung“, entgegnete Gleismann und zündete seinen Joint an. „Du auch?“, fragte er. Larissa lächelte erhaben, schüttelte den Kopf und deutete auf ihre Zigarette. „Schwarzer Redbull ohne Filter. Kiffen macht mich gleichgültig und das ist keine gute Sache, besonders nicht heute Abend.“

Agieren

Zum Jahresbeginn ein winziger Auszug aus “Larissas Sommer”. Auf ein Jahr mit viel Eigeninitiative!

Die Welt ist voll von vorgefertigten Ideen, voll mit Vorlagen. Manchmal habe ich mich gefragt, warum mein Leben mir nicht so recht rund vorkommen wollte. Was simpel klingen mag, war für mich eine wahrhaft bahnbrechende Erkenntnis: Höre auf zu reagieren, beginne zu agieren.

Alltag

Aus dem Alltag meiner Protagonistin// Ein ganz normaler Montag im Callcenter-Wahnsinn

Wieder einmal ist Montag. 8:15, pünktlich 15 Minuten zu spät komme ich an und begebe mich auf meinen Stammplatz im Studio. Alles ist wie immer, alles ist wie im letzten Jahr. Das Headset stinkt, ich bin schmerzfrei und drappiere gekonnt ein Taschentuch um jeden Kopfhörer. Natürlich wundert sich ein Niemand. Gestern Nacht habe ich noch eine Ewigkeit darüber nachgedacht, was genau ich hier eigentlich mache. Ich bin zu keinem Ende gekommen. Ich sitze hier seit Jahren und wähle an. Dial number, dial number. Rechts neben mir sitzt ein Mann Anfang 40, der mich an ein Riesenbaby erinnert. Das Riesenbaby ist ein liebenswertes Wesen. Es führt stets Selbstgespräche und das kann ich verstehen, weil ich es ebenfalls liebe, mit mir selbst zu reden. Vor allem unter der Dusche, oder wenn ich mir ein Brot schmiere.